Wenn das Patriarchat in Therapie geht – Sitzungen mit unserem kranken Gesellschaftssystem

Ein ganz persönlicher Rückblick auf die Lesung mit Katharina Linnepe

Es gibt Bücher, die unterhalten, andere erklären die Welt. Und dann gibt es Bücher, die so tief ins System blicken, dass man danach nicht mehr wegsehen kann. „Wenn das Patriarchat in Therapie geht“ von Katharina Linnepe ist so ein Buch. Und die Lesung mit der Autorin war nicht nur aufklärend, sondern auch heilsam, befreiend und manchmal sogar komisch. Genau die richtige Mischung, um ein schweres Thema zu tragen.

 

Warum dieses Buch?

Katharina Linnepes Ansatz ist radikal und gleichzeitig entwaffnend klug: Anstatt weiterhin zu erwarten, dass wir uns durch Meditation, Coaching oder Therapie an ein krank machendes System anpassen, dreht sie den Spieß um. Was, wenn das Patriarchat selbst ein Mensch wäre? Ein Mensch mit Eigenheiten, mit charakterlichen Verwerfungen, mit einem massiven Therapiebedarf? Wie würde dieser Mensch auftreten? Und was würde eine Therapeutin wohl diagnostizieren?

 

Die dunkle Triade des Patriarchats

Katharina beschreibt das Patriarchat als Träger der sogenannten „dunklen Triade“: Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie. Drei psychologische Merkmale, die man auch als „Erfolgsfaktoren“ in der westlichen Gesellschaft kennt. Es sind jene Eigenschaften, die Menschen an die Spitze bringen, die Karrieren befeuern, die Vorstandsetagen füllen. Und genau darin liegt das Problem. Denn ein System, das solche Eigenschaften belohnt, reproduziert Machtstrukturen, die auf Ausbeutung, Kontrolle und Dominanz basieren.

Was wir als Gesellschaft lange übersehen haben: Auch Männer leiden unter diesem System. Es geht nicht um eine „Herrschaft der Männer“, sondern um die „Herrschaft der Väter“ – ein Begriff, der Macht, Kontrolle, Besitz und Abgrenzung meint. Und diese Definition schließt viele Männer aus. Auch sie werden gezwungen, Rollen zu spielen, stark zu sein, keine Schwäche zu zeigen.

 

Ein Blick in die Geschichte

Besonders spannend fand ich Katharinas historischen Exkurs: Wie war das eigentlich, bevor das Patriarchat entstand? In nomadischen Gesellschaften war das soziale Gefüge rund um schwangere und stillende Frauen und deren Kinder gebaut. Es ging um Fürsorge, Zusammenhalt, das Überleben der Gruppe. Erst mit der Sesshaftigkeit kam der Besitz. Besitz bedeutete Macht. Und damit entstand die Idee, Hierarchien zu schaffen, Kontrolle auszuüben, Kriege zu führen und Unterschiede zu etablieren.

Ein System war geboren, das bis heute wirkt.

 

Warum lassen wir das zu?

Die Frage, die viele beschäftigt: Warum überlassen wir dieses System so wenigen? Warum akzeptieren wir, dass eine Minderheit über die Mehrheit herrscht? Katharinas Antwort: Weil wir als Gesellschaft zersplittert wurden. Weil uns die kollektive Solidaritat abhanden gekommen ist. Weil wir auf Besitz fokussiert sind und in der Verteidigung unseres Status nicht bemerken, dass wir selbst Teil eines ausbeuterischen Systems sind.

Das Patriarchat lebt von der Vereinzelung. Von der Konkurrenz. Von der Angst. Es braucht uns in der Anpassung, in der Selbstoptimierung, in der Erschöpfung. Was es gar nicht leiden kann? Solidarische Netzwerke, gemeinsame Kämpfe, geteilte Verantwortung.

 

Ein Blick nach Amerika

Wenn wir heute in die Welt blicken, sehen wir diese Strukturen in voller Wirkung. Katharina sprach unter anderem über Donald Trump als Paradebeispiel der patriarchalen Psychostruktur: Dominanz, Narzissmus, Entwertung von Minderheiten, alternative Fakten, grenzenlose Skrupellosigkeit. Diese Bilder sehen wir fast täglich – und spüren ein diffuses Unwohlsein. Eine Teilnehmerin beschrieb nach der Veranstaltung sehr treffend, dass sie nun endlich Worte für genau dieses Gefühl habe. Dass es nicht um Einzelpersonen geht, sondern um ein System. Und dieses zu erkennen, ist der erste Schritt.

 

Und jetzt? Was tun?

Katharina schloss die Lesung mit einem Zitat, das Mut macht. Es ging um Selbstermächtigung. Darum, die Aufmerksamkeit zu entziehen. Nicht mehr zu reagieren, nicht mehr zu gefallen, nicht mehr mitzuspielen. Denn das Patriarchat, so ihre These, hat auch Bedürfnisse. Und was passiert, wenn wir es nicht mehr füttern?

Mir kam sofort Margot Friedländers Appell in den Sinn: „Seid Menschen.“

Seid Menschen. Helft einander. Verliert euch nicht im Konkurrenzkampf. Seid stolz auf das, was ihr leistet – besonders auf das, was das Patriarchat nicht sehen will: Pflege, Erziehung, emotionale Arbeit, Zuhören, Dasein. Lasst uns ein neues Narrativ schaffen. Eines, das nicht auf Dominanz und Ausbeutung basiert, sondern auf Würde, Gleichwertigkeit und Respekt.

Denn vielleicht braucht es keine weitere Therapie, kein weiteres Coaching. Vielleicht braucht es einfach die Erkenntnis: Wir müssen nicht das System heilen, sondern uns selbst schützen. Und wenn wir die Aufmerksamkeit entziehen, dann bleibt das Patriarchat vielleicht einfach sitzen. Allein. Im Therapieraum. Und merkt: Jetzt ist es an der Zeit, sich zu ändern.

 

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