Buchvorstellung und Gespräch mit Dr. Silke Rusch im Buchclub EqualPages
Als ich „Women at work“ von Dr. Silke Rusch gelesen habe, dachte ich mir:
Hätte es doch dieses Buch damals schon gegeben, als ich unsicher war, ob ich meine Karriere mit Kindern überhaupt fortsetzen kann.
Stattdessen las ich damals „Lean In“ von Sheryl Sandberg.
Ein Buch, das mich motivieren sollte, „einfach härter zu arbeiten“.
Damit wären wir schon bei meinem ersten Glaubenssatz von damals angekommen:
„Du kannst alles haben, wenn du dich nur genug anstrengst.“
Dass das für mich nicht funktionierte, merkte ich schnell. Und so wuchs der nächste Satz in mir:
„Du bist nicht genug.“

Mentale Chancengleichheit statt Selbstoptimierung
Dr. Silke Rusch, promovierte Psychotherapeutin, stellt gleich zu Beginn der Veranstaltung klar: „Women at work“ ist kein Karriereratgeber.
Es ist ein Buch, das mentale Gesundheit und psychische Gleichberechtigung in den Mittelpunkt stellt.
Denn: Auch wenn Frauen und Männer auf dem Papier oft dieselben Chancen haben – die mentale Ebene bleibt ungleich.
Wir fragen uns, warum Gleichstellung so schwerfällt, obwohl Strukturen sich verändern.
Doch selten richten wir den Blick dorthin, wo die Wurzeln liegen: auf unsere Glaubenssätze.
Silke nennt sie „gnadenlos unterschätzt“ und das ist keine Übertreibung.
Unsichtbare Unterschiede – sichtbare Folgen
Frauen leiden doppelt so häufig an Depressionen, Angst- oder Essstörungen wie Männer.
Während Männer Stress oft mit Konflikten im Beruf oder finanziellen Sorgen verbinden, fühlen sich Frauen belastet durch Beziehungsarbeit, emotionale Verantwortung und Care-Arbeit. Also durch die unsichtbaren Tätigkeiten, die das Leben anderer Menschen ermöglichen.
Feminismus, sagt Silke, bedeutet für sie nicht, das System immer besser zu erfüllen oder sich noch stärker anzupassen.
Es geht darum, die eigenen inneren Hürden zu erkennen, die wir unbewusst mittragen und zu verstehen, wie sie entstanden sind.
Viele Frauen sagen schnell „den Stress mache ich mir selbst“. Doch Silke sagt „von nichts kommt nichts“. Alles hat eine Ursache.
Die kleinen Boxen in unserem Inneren
Silke beschreibt unsere Glaubenssätze mit einem kraftvollen Bild:
In unserem Inneren gibt es kleine Boxen. Auf jeder steht ein Etikett:
„Eine Frau ist …“, „Wer erfolgreich sein will, muss …“
Vor jeder Box steht ein Türsteher. Er kennt die Regeln genau.
Er sagt:
„Du nicht – du darfst nicht in die Box der schönen Frau, du bist nicht schlank genug.“
Oder:
„Du nicht – in die Box der erfolgreichen Frau darfst du nicht, du hast nicht studiert.“
Diese inneren Türsteher sind lautlos, aber mächtig.
Wir limitieren uns selbst. Oft lange bevor jemand im Außen es überhaupt müsste.
Warum?
Weil wir es so gelernt haben.
Weil wir in einem System leben, das davon profitiert, wenn Frauen zweifeln.
Wie das Patriarchat in unseren Köpfen wohnt
Unsere hinderlichen Glaubenssätze werden im Außen immer wieder bestärkt.
Nicht jeder Mensch im Umfeld freut sich über Wachstum und Veränderung.
Therapieerfolge, neue Grenzen oder Selbstbewusstsein können alte Strukturen ins Wanken bringen.
Darum, sagt Silke, ist Verbindung so wichtig:
Menschen, die dich stärken, Allies, die dich unterstützen, Räume, die Entwicklung zulassen.
Genau das war diese Veranstaltung: ein Raum voller ehrlicher Reflexion, Verbundenheit und Aufbruch.
Wenn du einen Raum für Verbundenheit und Entwicklung brauchst, dann schaue gerne auch in meinem Frauen.Raum vorbei, den ich genau für Frauen, die dieses Umfeld und diese Verbindungen suchen, ins Leben gerufen habe.
Die Macht der Glaubenssätze
Das Buch „Women at work“ ist rund um 18 der häufigsten und schädlichsten Glaubenssätze aufgebaut.
Als Silke sie im Buchclub vorliest, geht ein Raunen durch den Raum.
Fast jede erkennt sich wieder.
Der „Bestseller“ unter ihnen:
„Ich genüge nicht.“
Dieser Satz ist der Ursprung vieler weiterer Überzeugungen und die Wurzel kollektiver Selbstzweifel.
Denn Frauen haben gelernt, sich über den Blick anderer zu definieren:
Wir wollen gewählt werden – für den Job, für die Liebe, für Anerkennung.
Weichen wir vom Maßstab ab, fühlen wir Scham.
Wir trauen uns weniger, sprechen leiser, verzichten auf Sichtbarkeit.
Unser innerer Türsteher flüstert: „Lass es lieber.“
Und das Patriarchat lehnt sich zurück, denn unser Gatekeeping erledigen wir längst selbst.
Gelernte Inkompetenz und die Sehnsucht nach Selbstwirksamkeit
Dieses Selbstzweifeln hat Folgen:
Frauen übernehmen Jobs, für die sie überqualifiziert sind.
Sie machen sich kleiner, als sie sind. Ein Phänomen, das als „Downgrading“ bezeichnet wird.
Dauerhafte Selbstbegrenzung kann sogar zur sogenannten „gelernten Inkompetenz“ führen:
Wir verlieren den Glauben an unsere Selbstwirksamkeit und damit an unsere eigene Gestaltungskraft.
Doch die gute Nachricht ist:
Wir können das ändern.
Glaubenssätze überschreiben statt löschen
Alte Überzeugungen lassen sich nicht einfach vergessen.
Aber sie lassen sich überschreiben.
Silke zeigt in ihrer Arbeit immer wieder, dass Veränderung möglich ist.
Durch bewusste neue Erfahrungen, durch das Erweitern unseres Blickfelds.
Wer glaubt, nur schlanke Körper seien schön, kann Menschen suchen, die Schönheitsnormen neu definieren.
Wer denkt, ohne Studium sei kein Erfolg möglich, kann inspirierende Schulabbrecher:innen finden, die Großes erreicht haben.
So entsteht ein neuer Erfahrungsraum und das verändert alles.
Von Affirmation zu Iffirmation
Besonders berührend ist Silkes Konzept der Iffirmation – abgeleitet vom englischen if (wenn).
Denn klassische Affirmationen („Ich kann das!“) funktionieren nur, wenn man sie schon glaubt.
Die Iffirmation öffnet dagegen einen Möglichkeitsraum, ohne Druck:
Was, wenn ich das kann?
Was, wenn ich gut genug bin?
Was, wenn ich die Richtige bin für diesen Job?
Diese Formulierung erlaubt Wachstum und gibt Mut, ohne zu überfordern.
Eine Teilnehmerin erzählte, dass sie eine berufliche Anfrage schon tagelang unbeantwortet ließ, weil sie sich überfordert fühlte.
Nach dem Gespräch mit Silke wollte sie sofort zusagen.
Denn: Was, wenn sie wirklich die Richtige ist?
Fazit: Mentale Gleichstellung beginnt im Kopf und im Herzen
Diese Veranstaltung im Buchclub EqualPages hat uns nicht nur inspiriert, sondern gestärkt.
Er hat gezeigt:
Gleichstellung ist nicht nur eine Frage von Strukturen oder Gesetzen. Sie beginnt in unseren Köpfen, in unseren Glaubenssätzen.
Wir alle tragen innere Türsteher in uns.
Aber wir können ihnen neue Regeln beibringen.
Manchmal reicht eine kleine Frage, um die Tür zu öffnen:
Was, wenn es einfach gut wird?
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Eine Antwort
Haha, die inneren Türsteher! Ich kenne die „Du bist nicht schlank genug-Klingel sofort. Mein innerer Türsteher für Karriere ist wohl von selbst studiert, aber er hat sich schon längst darauf verstanden, mir jede Präsentation mit „Was, wenn du doch nicht wirst gewählt? anzupassen. Die Iffirmation ist toll –Was, wenn ich mal nicht total überfordert bin? klingt so entspannt und viel weniger pressuring als „Ich schaffe das alles!. Und ja, wir können die Regeln ändern – vielleicht fängt man beim Türsteher für „schnelle Recherchen direkt an und lässt ihn einfach beim Chillen. Glaubenssätze überschreiben, super!