Frauen stellen die Hälfte der Gesellschaft – doch in der Politik sind sie nach wie vor unterrepräsentiert. Insbesondere Mütter finden oft kaum Zeit oder Rahmenbedingungen vor, die ein politisches Engagement ermöglichen. Dabei sind ihre Perspektiven und Erfahrungen essenziell für eine gerechte Gesellschaft. Warum ist es so schwierig für Frauen, insbesondere Mütter, sich politisch einzubringen? Und wie können wir das ändern?
Darüber sprachen wir im Buchclub EqualPages mit der Autorin und Aktivistin Sarah Zöllner, die nach „Mütter Macht Politik“ nun am 8. März 2025 das Buch „Mütter in die Politik!“ veröffentlicht hat.
Dieses Buch ist nicht nur ein mutmachender Ratgeber voller Erfahrungsberichte von Frauen aus der Politik sondern ist gespickt mit Zahlen, Daten und Fakten, die dem Gefühl, Frauen seien unterrepräsentiert, Gewissheit geben.
Hier ein paar Highlights aus dem Buch und aus der Lesung, die am 11. März im Buchclub EqualPages stattfand.
Frauen wollen mitgestalten – aber sie können oft nicht
Ein weit verbreiteter Mythos ist, dass Frauen schlicht kein Interesse an der Politik hätten. Diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn man oberflächlich in die Gremien schaut, die oft eher alt, weiß, männlich und privilegiert besetzt sind.
„Im Jahr 2023 war auf kommunaler Ebene zwar jede:r dritte Politiker:in eine Frau (27,7%), aber nur rund jede Zehnte war Bürgermeisterin, Oberbürgermeisterin oder Landrätin. Mandatsträger:innen in der Familienphase, sind in der Kommunalpolitik besonders unterrepräsentiert.“
So sind nur 8,9% der Mandatsträger:innen in den Kreisen zwischen 36 und 45 Jahre alt.
Die Wahrheit ist: Viele Frauen möchten sich einbringen, aber strukturelle Hürden machen es ihnen schwer. Neben Beruf und Familienaufgaben bleibt kaum Zeit für Sitzungen und politische Netzwerke. Die Politik ist nach wie vor so organisiert, dass sie sich an Menschen richtet, die keine oder nur wenig Care-Arbeit leisten. Mütter müssen sich in ihrer Freizeit engagieren – doch diese Freizeit existiert oft nicht.
Auch die Reform des Wahlrechts wirkt sich aus. So denken viele Parteien, dass der männliche Direktkandidat erfolgreicher sei und ziehen Frauen wieder von den Listen zurück. Es passiert hier aktuell ein realer Rückschritt, dem es entgegenzutreten gilt.
Warum Mütter besonders geeignet für die Politik sind
Mütter organisieren täglich komplexe Abläufe, jonglieren unterschiedliche Bedürfnisse und behalten in stressigen Situationen den Überblick. Sie wissen, wie wichtig Bildung, bezahlbarer Wohnraum und funktionierende soziale Strukturen sind – denn sie erleben es jeden Tag. Sie bringen nicht nur Organisationstalent und Empathie mit, sondern haben auch ein realistisches Verständnis für die Bedürfnisse der Gesellschaft.
Fehlende Unterstützung: Der Knackpunkt für Frauen in der Politik
Politische Karrieren erfordern Unterstützung – sei es durch den Partner, durch Strukturen wie flexible Kinderbetreuung oder durch hybride Sitzungskonzepte, die eine Teilnahme auch von zu Hause aus ermöglichen. In vielen Fällen fehlen diese Voraussetzungen, sodass Frauen schlicht keine Wahl haben. Besonders alleinerziehende Mütter sind von politischer Teilhabe fast ausgeschlossen, weil sie neben dem Beruf auch allein die Verantwortung für ihre Kinder tragen.
Interessant ist, dass jede Gemeinde diese Regeln in einer eigenen Gemeindeordnung erlässt. Es gibt also keine verbindlichen und einheitlichen Regeln, die sicherstellen, dass ein vielfältiges Wahlangebot für die Wähler gemacht werden kann. So entsteht immer wieder die Situation, dass keine Frau auf dem Wahlzettel steht oder nicht die Möglichkeit besteht, eine:n Kandidat:in zu wählen, der/die Migrationshintergrund besitzt oder sich in meiner Altersstruktur befindet.
Hier stellt sich schon die Frage, ob das unserem demokratischen Anspruch entspricht und ob das nicht auch eine Teilursache sein kann, die zu der Politikverdrossenheit der Wähler führt.
Was sich ändern muss
Damit mehr Frauen in die Politik kommen, braucht es strukturelle Veränderungen. Hier nur eine Auswahl an möglichen Verbesserungen:
- Flexible und bezahlbare Kinderbetreuung auch während politischer Sitzungen.
- Sitzungen finden nur ausserhalb der Care-Rushhour statt und sind zeitlich begrenzt.
- Digitale und hybride Formate, damit Engagement nicht an Fahrzeiten und lange Sitzungen gebunden ist. Dass das möglich ist, haben wir während der Corona-Pandemie gesehen, doch nahezu überall wurden die Uhren wieder zurück gedreht und es wird wieder auf Anwesenheit gesetzt.
- Finanzielle Entlastung und Rentenpunkte für politisches Ehrenamt, um Frauen den Einstieg zu erleichtern, die aufgrund der Care-Arbeit ohnehin schon oft auf Erwerbseinkommen verzichten müssen.
- Partnerschaftliche Verantwortung: Männer müssen Care-Arbeit gleichberechtigt übernehmen, damit Frauen überhaupt den Freiraum für politisches Engagement haben.
Jetzt aktiv werden!
Viele Frauen haben den Wunsch, sich zu engagieren, wissen aber nicht, wo sie anfangen sollen. Dabei gibt es viele Möglichkeiten: von der Mitarbeit im Elternbeirat über das Engagement in lokalen Initiativen bis hin zur Kandidatur für den Gemeinderat. Der erste Schritt ist oft klein – aber jeder Schritt zählt. Wichtig ist, dass wir uns dabei nicht überfordern und das tun, was uns Spaß macht. Jedes Engagement kann mit der Zeit ausgedehnt werden, wenn die Lebensphase es wieder zulässt oder der Weg sich als gut und richtig erweist.
Eine weitere wichtige Erkenntnis ist für mich, dass wir Frauen uns unbedingt untereinander solidarisch verhalten sollten. Der Gegenwind ist ohnehin schon groß genug. Wir sollten es uns untereinander nicht unnötig schwerer machen. Stattdessen sollten wir selbstbewusst die Parität einfordern, die uns zusteht. Was dann sehr viel Raum für viele Frauen gibt.
Stört euch auch bitte nicht an Quoten, die manche Parteien einführen, um Parität zu erreichen. Hoffentlich ist die Quote nur eine Brücke hin in ein neues Normal. Aber aktuell ist sie für uns noch sehr wichtig, denn ohne sie verändert sich nahezu nichts.
Frauen, insbesondere Mütter, dürfen sich nicht aus der Politik verdrängen lassen. Ihre Stimmen sind notwendig, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Denn eine Demokratie, in der die Realität von Müttern keine Rolle spielt, ist keine Demokratie für alle.
Mehr Informationen findest du auf der Vernetzungsplattform von #MütterMachtPolitik
Ein spannendes Interview von Sarah Zöllner zu ihrem neuen Buch ist auch auf Brigitte erschienen.
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